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Dies war die Traueranzeige, die uns am 27.07.2020 erreichte:

"Karl-Heinz Tietz wurde am 29. Jänner 1931 in der nordböhmischen Stadt Aussig an der Elbe geboren. Sein Vater Rudolf Tietz war höherer Beamter des Aussiger Finanzamtes mit dem Titel "Regierungsrat" und stammte aus einem Bauernhof im Vogelgrund bei Dauba/Böhmen, wo die Tietzens mindestens bis ins 18. Jh. nachweisbar sind. (Sein Referendariat in der Beamtenlaufbahn leistete Rudolf Tietz übrigens im Finanzamt Weipert ab!) Bereits als Junge bekam Karl-Heinz Tietz Orgelunterricht bei Pater Klein in der Aussiger Klosterkirche - seine erste Messe spielte er bereits mit 13 Jahren in der Stadtkirche von Aussig.

 

Nach der Vertreibung am 3. August 1945 (drei Tage nach dem Massaker von Aussig) kam Karl-Heinz Tietz mit seinen Eltern ins sächsische Vogtland und wurde in Oelsnitz ansässig, wo er eine Uhrmacherlehre begann - 1954 wurde er darin Meister und 1956 Ladeninhaber. Sein ursprünglicher Wunsch, einmal Kirchenmusik zu studieren, war durch Krieg und Vertreibung unmöglich geworden. Doch er wurde trotzdem ein Kirchenmusiker - zwar im Ehrenamt, aber mit ganz viel Liebe zur Musik und sehr viel Musikalität, Können und Engagement. Bereits mit knapp 16 Jahren übernnahm er offiziell den Organistendienst, etwas später auch den Kirchenchor in der damals starken Diaspora-Gemeinde. Zwar kam dieser Chor, mit dem er so gern lateinische Messen aufführte, dann zum Erliegen - doch der Orgelbank blieb Karl-Heinz Tietz treu, insgesamt 73 Jahre! Seine Frau Eva-Maria lernte er 1956 beim Deutschen Katholikentag in Köln kennen, wo sich damals noch viele Heimatvertriebene zusammen fanden - auch sie stammte aus Aussig. Seinen fünf Kindern gab Karl-Heinz Tietz seine ganze Liebe zur Musik weiter.

 

Nicht nur als Uhrmachermeister und Organist wurde Karl-Heinz Tietz bekannt, sondern auch als Leiter mehrerer weltlicher Chöre - "seinen" Männergesangverein leitete er 57 Jahre lang. Für sein Lebenswerk wurde er 2018 von seiner Heimatstadt Oelsnitz/Vogtland mit dem "Goldenen Ehrenring" geehrt, den es überhaupt nur zweimal gibt. Im Mai 2020 schrieb ihm der Bischof von Dresden-Meißen, Heinrich Timmerevers, einen persönlichen Dankesbrief, in dem er seine Verdienste um die Kirchenmusik würdigte. In den letzten Jahren waren seine Kräfte immer mehr gewichen, eine Lungenkrankheit macht ihm zu schaffen. Doch Orgelspielen konnte er bis zuletzt - seine letzte Messe spielte er noch zu Fronleichnam am 11. Juni 2020. Am 22. Juli dieses Jahres schlief er nun friedlich im Kreise seiner Familie ein. Das Requiem in der Oelsnitzer Stadtkirche, das drei Geistliche zelebrierten, und das anschließende Begräbnis am 31. Juli 2020 besuchten 134 Menschen. R. i. P."

Für mich war Herr Karl-Heinz Tietz jener begnadete Orgelspieler, der nicht nur bei unserem 25. Jubiläum der Neugeschreier Feste im Jahr 2015 die Orgel gespielt hat, sondern auch im letzten Jahr noch mit 88 Jahren (!) musikalisch unser Jubiläum zum
120-jährigen Bestehen unserer Herz-Jesu-Kirche aufgewertet hat.

Unvergeßlich sind mir seine Improvisationen beim Orgelnachspiel. Er schaffte es, die Akkordfolge so aufzubauen, dass sich die Musik zu immer neuen Höhenpunkten steigerte, bis irgendwann der Gipfel erreicht war und die Musik in einer großen Harmonie ausklang.

Zu seinen Ehren hier noch sein Orgelnachspiel vor einem Jahr, wenn Sie das nachfolgende Textfeld anklicken:

Gewidmet in tiefer Dankbarkeit diesem großen Orgelspieler gegenüber, der nun von uns gegangen ist. Doch ich glaube, der Klang seiner Musik schwingt noch als Echo in unseren Herzen nach.

Benno Tietz

Hier einige Bilder von Juni 2015:

... im Gespräch mit Jan Baxant, dem Bischof von Leitmeritz

Orgelnachspiel
bitte hier anklicken

Erich Dick, am 05.08.2020

Sein Sohn Herr Benno Tietz berichtet zur Trauerfeier am 31. Juli:

"Das Requiem war wunderbar - ich habe mehrere Rückmeldungen bekommen, dass es ganz in seinem Sinne gewesen sei: Auf der großen Orgel in der ev. Stadtkirche (an der er selbst gelernt hatte) habe ich aus 65 Registern die gefühlvollsten und zartesten rausgesucht, damit die Schubertmesse auch so klang, wie er sie immer gespielt hat. Wir haben einen kleinen Chor gehabt (zu dem er uns zu Weihnachten noch begleitet hat), mit dem wir "Lobe den Herrn, meine Seele" gesungen haben - was ja sein Lebensmotto war. Der alte Pfarrer Kohl aus der Nachbar-Pfarrei - genau wie er 89 Jahre alt, aber super fit - hat so wertschätzend und würdig gepredigt, hat ihn den "Meister der Zeit" genannt (in Anspielung auf seinen Uhrmacherberuf, aber auch auf seine musikalische Tätigkeit, die ja auch viel mit Tempi zu tun hat). Am Grab hat noch ein Horn-Trio gespielt - u. a. Beethovens "Die Himmel rühmen".

Es waren 134 Leute gekommen. Unser Heimat-Ruhestandsgeistliche  sprach von seinem wunderschönen Orgelspiel, und wie er so viel Freude immer dabei hatte, dass er alle damit ansteckte. Der 1. Stellvertreter des Oberbürgermeisters würdigte seine Verdienste um das kulturelle Leben der Stadt, und der ehemalige Vorstand seines Männergesangvereins, den er 57 Jahre lang leitete, verneigte sich vor seinem Lebenswerk."

Nachtrag am 06.08.2020:

Auch beim Bistum Dresden-Meissen ist ein Nachruf erschienen:

... an der Orgel in Oelsnitz

(Leider hat sich in der Traueranzeige ein falsches Geburtsdatum eingeschlichen, das korrekte ist: 29.01.1931)

Nachruf des Bistums Dresden-Meissen
bitte hier anklicken

Nachruf für Karl-Heinz Tietz